Die Zeitung mit Fakten zum Namensstreit an der Universität Greifswald

Editorial

Diese Zeitung hat eine Vorgeschichte. 2001, dann 2010 und schließlich von Ende 2016 bis August 2017 wurde öffentlich darüber debattiert, ob die hiesige Universität ihren schon lange umstrittenen Namen endlich wieder ablegen solle. Nahezu 500 Jahre hieß sie einfach Universität Greifswald (wie die Universitäten Oxford, Chicago, Uppsala, Zürich, usw.). 1933 nahm sie Ernst Moritz Arndt als Namenspatron an. Das passte damals in das Weltbild des NS-Regimes: Arndt war Antisemit, er warnte vor „Bastardisierung“ der Deutschen, propagierte die deutschfranzösische Erbfeindschaft und befürwortete eine großgermanische Expansion. In der DDR schmückte sich unter veränderten politischen Vorzeichen 1954 die Universität wieder mit Arndts Namen. Diesmal passte Arndt für die tagespolitischen Bedürfnisse einer stalinistischen Geschichtspolitik.

In zwei Diktaturen also wurde Arndt als Aushängeschild unserer Universität benutzt, behauptete man, sein Vermächtnis übernommen zu haben. Wie steht es heute mit diesem Erbe? Was möchte die Universität im Jahre 2017 mit diesem Namen signalisieren?

In der Zeitung, die Sie in der Hand halten, melden sich die wissenschaftlichen Experten der Greifswalder Universität zu Wort. Es sind Forscher, die für den Kriegspropagandisten und Dichter Ernst Moritz Arndt (1769-1860) und die Geschichte Pommerns, Deutschlands, der deutschen Literatur und der politischen Ideengeschichte und für Geographie fachlich zuständig und ausgewiesen sind. Es geht ihnen darum, darzulegen, wie Arndt als Namenspatron einer modernen Universität zu beurteilen ist, einer Universität, zu deren ausdrücklichem Leitbild die Weltoffenheit und die Distanzierung von Fremdenfeindlichkeit gehört. Und es geht ihnen in der Sache darum, in Umlauf gesetzte Vorurteile zu korrigieren, Informationslücken zu füllen und Falschinformationen zurückzuweisen. Dies scheint uns vor dem Hintergrund der Art und Weise, wie die Namensdiskussion in der Öffentlichkeit geführt wurde, umso wichtiger.

Viele von denen, die in der heftig geführten Diskussion vorgeben, sich mit dem Namen der Universität zu identifizieren, legen dabei eine merkwürdige Missachtung, ja Verachtung der Inhalte „ihrer“ Universität an den Tag. Beharrlich ignorieren sie die Resultate der weltweiten Forschung, insbesondere der örtlichen Historiker, Sozialwissenschaftler und Kulturwissenschaftler. Über Wochen hat Greifswald, das sich stolz „Universitätsstadt“ nennt, ein peinliches Bild geboten: Demonstranten ernten auf dem Marktplatz Applaus und finden in den Leserbriefspalten der Lokalzeitung Zustimmung, wenn sie in den Universitätsangehörigen eine „politisierte selbsternannte Elite“ sehen und verhöhnen. Wenn Fachleute sich auf Anhörungen äußern, bekommen sie als Antwort zu hören: „Frechheit“.

Menschen, die mit populistischen Strategien und Argumenten Shit Storms, Fake News, gefälschte Umfragen und Demonstrationen organisieren, ein Politiker der CDU, der, als eine Bürgerschaftsabstimmung in Sachen Arndt nicht in seinem Sinne ausging, die „Abweichler“ auf dem Marktplatz namentlich den Buhrufen der Menge auslieferte, besorgte Bürger, die die „Entdeutschung“ des Landes kommen sehen, schließlich Leserbriefschreiber, die Ressentiments gegen „Westprofessoren“ und von auswärts kommende Studierende schüren – ausgerechnet sie werfen den zuständigen Universitätsgremien vor, ihre Entscheidung zur Namens ablegung müsste „demokratischer“ angegangen werden! Fakt jedoch ist, dass der gewählte Senat der Universität per Hochschulgesetz letztendlich für die Namens frage zuständig ist. Der Umgang mit den Befürwortern der Namensänderung in den vergangenen Monaten markiert einen Tiefpunkt der lokalen politischen Kultur. Er lässt vielfach auch die Einsicht in das institutionelle Grundprinzip der Hochschulautonomie vermissen.

Auch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern wurde – obwohl der ebenso wenig wie die Greifswalder Bürgerschaft dafür zuständig ist – über den Namen der Greifswalder Universität debattiert. Ein Abgeordneter, der sich für Arndt stark machte, rief, es gehe um die Deutungshoheit über ideelle Werte. Diese Deutungshoheit dürfen und können allerdings die Greifswalder Studierenden, Lehrenden und Universitätsmitarbeiter nicht anderen politischen Gruppierungen überlassen.

Die Beiträge in dieser „Zeitung“ sind von den fachwissenschaftlich Zuständigen dieser Universität eigens für Sie geschrieben worden. Es geht um Zusammenhänge, die nicht auf das Format eines Leserbriefs, einer Twitter-Meldung oder einer Demo-Parole zusammengestutzt werden können. Liebe Leserinnen und Leser – bitte nehmen Sie sich für die Lektüre der EMAZ die nötige Zeit.

Den Aufkleber gibt es im Uniladen an der Baderstraße.